Scheinträchtigkeit und Scheinschwangerschaft bei Hunden
Die Scheinträchtigkeit, auch Scheinschwangerschaft oder Scheinmutterschaft genannt, tritt ein paar Wochen nach der Läufigkeit auf und wird durch bestimmte hormonelle Prozesse ausgelöst. In diesem Beitrag erfahren Sie alles Wichtige über die Scheinträchtigkeit und wie Sie Ihre Hündin in dieser Phase unterstützen können.
Autorin Tierärztin Johanna Klickermann
Unsere Autorin Johanna Klickermann ist Tierärztin mit Leib und Seele. futalis profitiert von ihrer langjährigen Erfahrung mit Hundeerkrankungen und Ernährungsfragen aus der Kleintierpraxis sowie ihrem Wissen aus zahlreichen Fortbildungen. Erfahren Sie mehr über unsere Autorin!
„Während bei den meisten Hündinnen die Scheinträchtigkeit nach wenigen Wochen ohne Probleme vorüber geht, können für andere Hündinnen die Symptome zur Belastung werden. In den meisten Fällen ist jedoch keine tierärztliche Behandlung erforderlich“ – Johanna Klickermann
Was bedeutet Scheinträchtigkeit beim Hund?
Unter Scheinträchtigkeit versteht man die körperlichen und psychischen Veränderungen der Hündin, die ca. drei bis neun Wochen nach der Läufigkeit auftreten und durch bestimmte hormonelle Prozesse gesteuert werden.
Sprachlich handelt es sich korrekterweise eher um eine Scheinmutterschaft, da die Hündin in dieser Phase Welpen hätte und entsprechende Veränderungen zeigt, obwohl sie nicht gedeckt wurde. Die Fachbegriffe hierfür lauten Pseudogravidität (Pseudoschwangerschaft) oder auch Lactatio falsa (fälschliche Milchproduktion).
Dieser Zustand tritt nur bei unkastrierten Hündinnen auf und kann sich durch verschiedene Symptome äußern, die in diesem Artikel noch behandelt werden.
Es ist wichtig zu wissen, dass es sich bei der Scheinträchtigkeit nicht um eine Krankheit und bei Verhaltensänderungen nicht um anormales Verhalten handelt. Vielmehr ist die Scheinmutterschaft ein Zustand, der sich durch hormonelle Prozesse erklären lässt.
Hormonelle Prozesse bei der Läufigkeit und Scheinträchtigkeit
Während der Läufigkeit durchläuft die Hündin verschiedene Phasen, in der jeweils verschiedene Hormone aktiv sind. In der Phase der Nachbrunst, dem sogenannten Metöstrus, wird im Körper der Hündin das Hormon Progesteron (Gelbkörperhormon) produziert. Dieses Hormon bereitet die Gebärmutterschleimhaut auf die Einnistung der befruchteten Eizelle vor und dient der Erhaltung der Trächtigkeit. Auch bei Hündinnen, die nicht gedeckt wurden, wird dieses Hormon gebildet.
Sinkt der Progesteronspiegel wieder, wird die Ausschüttung des Hormons Prolaktin angestoßen. Dies findet etwa in der Zeit statt, in der die Hündin theoretisch ihre Welpen bekommen würde (rund 63 Tage nach dem Deckakt). Der Anstieg des Prolaktins bewirkt, dass das Drüsengewebe des Gesäuges zur Milchproduktion angeregt wird und dass der „Mutterinstinkt“ der Hündin geweckt wird.
Je nachdem wie hoch der Prolaktinspiegel ist, desto mehr oder weniger stark zeigt die Hündin Symptome einer Scheinträchtigkeit. Prinzipiell kann jede Hündin scheinträchtig werden, wobei die „individuelle Anfälligkeit“ auf den Anstieg des Prolaktins, mit Symptomen der Scheinmutterschaft zu reagieren, individuell verschieden ist.
War eine Hündin einmal scheinträchtig, bedeutet das nicht, dass auch nach der nächsten Läufigkeit wieder eine Scheinträchtigkeit auftritt. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man mit einem ähnlichen Verlauf rechnen muss.
Was sind Symptome einer Scheinträchtigkeit?
Welche Symptome während einer Scheinträchtigkeit gezeigt werden, ist von Hündin zu Hündin verschieden, wobei auch die Ausprägungen der Symptome unterschiedlich stark sein können. Diese können körperliche Veränderungen oder Veränderungen im Verhalten betreffen.
Änderungen im Verhalten
✔ Die Hündin wirkt lustlos, schlapp oder sogar depressiv
✔ Die Hündin hat ein erhöhtes Schlafbedürfnis
✔ Die Hündin ist anhänglicher und sucht vermehrt Nähe zum Besitzer
✔ Die Hündin will ihr „Nest“ nicht mehr verlassen und verweigert Spaziergänge
✔ Appetitlosigkeit
✔ Nestbauverhalten
✔ Spielzeuge, Hausschuhe oder andere Gegenstände werden gesucht, in eine Ecke/ins „Nest“ getragen, die Hündin legt sich auf die Gegenstände
✔ Bewachen und Verteidigen der Gegenstände, auch gegenüber dem Besitzer
✔ Aggressives Verhalten gegenüber anderen Hunden, insbesondere bei anderen Hündinnen
Körperliche Anzeichen der Scheinträchtigkeit
✔ Geschwollenes Gesäuge und geschwollene Zitzen
✔ Milchproduktion
✔ Durch Druckschmerz leckt sich die Hündin am Gesäuge
✔ Warmes Gesäuge
✔ Vergrößerter Bauchumfang
Stellen Sie bei Ihrer Hündin fest, dass sich das Gesäuge übermäßig warm anfühlt, ist das Gesäuge an einigen Stellen verhärtet, gerötet, schmerzhaft oder kommt blutig-eitriges Milchsekret aus den Zitzen, sollten Sie unbedingt einen Tierarzt aufsuchen. Dies sind Anzeichen für eine Gesäuge-Entzündung, eine sogenannte Mastitis.
Stellen Sie Anzeichen einer Gesäuge-Entzündung fest, ist ein Tierarztbesuch dringend notwendig!
Warum werden Hündinnen scheinträchtig?
Um zu verstehen, warum Hunde scheinträchtig werden, muss man den Blick auf ihre Vorfahren, die Wölfe, richten. In einem Wolfsrudel wird nur die ranghöchste Wölfin gedeckt und folglich bekommt nur sie Welpen. Damit die Welpen versorgt sind, auch wenn der Wölfin etwas zustößt oder sie aus irgendeinem Grund die Welpen nicht versorgen kann, ist es für die Erhaltung des Rudels sinnvoll, dass sich auch die anderen Wölfinnen im Rudel um den Nachwuchs kümmern können.
Sie übernehmen die Ammenfunktion und können die Welpen säugen. Voraussetzung hierfür sind die oben beschriebenen hormonellen Prozesse. Da Wölfinnen ihre Läufigkeit ungefähr im selben Zeitraum jedes Jahr durchlaufen, sind die geschlechtsreifen weiblichen Tiere im Rudel zur Milchbildung fähig, auch wenn sie keine Welpen bekommen haben.
Wie lange dauert eine Scheinträchtigkeit an?
Hündinnen zeigen in der Regel ein bis drei Monate nach der Läufigkeit Symptome einer Scheinträchtigkeit, die rund zwei bis drei Wochen andauern. In der Regel klingen die Symptome nach wenigen Wochen von selbst ab, ohne dass eine tierärztliche Behandlung nötig ist.
Behandlung bei Scheinträchtigkeit
Bei Verdacht auf eine Gesäuge-Entzündung oder bei starken Verhaltensänderungen, wie aggressivem Verhalten, kann eine medizinische Behandlung nötig sein. In den meisten Fällen ist jedoch keine tierärztliche Behandlung bei einer Scheinträchtigkeit erforderlich. Dennoch sollte man seine Hündin genau beobachten und einige Regeln im Umgang beachten:
Klären Sie ab, ob Ihre Hündin trächtig sein könnte
Können Hundehalter nicht sicher ausschließen, dass die Hündin während der Läufigkeit mit einem Rüden unbeobachtet war und es zu einem ungeplanten Deckakt gekommen sein könnte, sollte bei Symptomen einer Scheinschwangerschaft abgeklärt werden, ob nicht tatsächlich eine Trächtigkeit vorliegt. Dies kann der Tierarzt feststellen.
Verhindern Sie, dass sich die Hündin am Gesäuge leckt
Lecken Hündinnen an ihrem Gesäuge, wird die Milchproduktion zusätzlich angeregt. Ein T-Shirt, ein Body oder eine Halskrause können dies verhindern. Jedoch sollte die Hündin an diese Maßnahmen gewöhnt und nicht unnötigem Stress ausgesetzt werden.
Drücken Sie die Milch nicht aus
Massagen am Gesäuge oder das Ausdrücken von Milch sollten vom Hundehalter nicht vorgenommen werden. Auch hier wird die weitere Sekretion von Milch angeregt.
Beschäftigen Sie Ihre Hündin vermehrt
Ausgiebige Spaziergänge, Spiele mit dem Besitzer und Beschäftigung sorgen bei scheinträchtigen Hündinnen für etwas Ablenkung. Hier erfahren Sie mehr über Hundebeschäftigung zu Hause.
Räumen Sie Spielzeuge weg
Nutzen Hündinnen Spielzeuge, Kuscheltiere oder Hausschuhe als Welpenersatz, sollten diese zunächst weggeräumt werden. Natürlich sind Spiele mit dem Hund noch erlaubt. Nach einem Spiel kann das Spielzeug aber weggeräumt werden, sodass die Hündin besser zur Ruhe kommen kann.
Holen Sie sich Unterstützung von einem Experten bei aggressivem Verhalten
Einige Hündinnen verteidigen während der Scheinmutterschaft ihr Spielzeug oder reagieren aggressiv auf ihre Artgenossen. Leben Kinder mit im Haus, kann dieses Verhalten zu einem ernsten Problem werden. Reagieren Hündinnen mit aggressivem Verhalten, sollten folgende Schritte eingeleitet werden: 1. Spielzeug wird konsequent weggeräumt. 2. Der Hund wird mit einem Maulkorb gesichert, welcher am besten bereits vorher ausreichend positiv auftrainiert wurde. 3. Draußen wird die Hündin mit einer Schleppleine gesichert, damit sie nicht zu anderen Hunden hinrennen kann. 4. Mit einem Tierarzt werden entsprechende Medikamente abgestimmt, um die Symptome der Scheinträchtigkeit zu reduzieren. Auch ein kompetenter Hundetrainer kann Tipps zum Umgang in dieser Phase geben.
Gibt es Medikamente gegen eine Scheinträchtigkeit?
Wie bereits beschrieben, ist ein Eingreifen mit Medikamenten bei der Scheinträchtigkeit, bei normalem Verlauf, nicht nötig. Zeigt die Hündin jedoch übermäßige Milchbildung oder stark verändertes Verhalten wie Aggressivität, können Medikamente zum Einsatz kommen, die die Ausschüttung des Hormons Prolaktin und damit die Milchbildung hemmen. Diese Prolaktin-Hemmer werden ausschließlich vom Tierarzt verordnet und sollten nur mit dessen Abstimmung verabreicht werden. Der Nutzen von häufig empfohlenen homöopathischen Mitteln wie Pulsatilla, ist wissenschaftlich nicht bewiesen.
Kann man einer Scheinträchtigkeit vorbeugen?
Nein, einer Scheinträchtigkeit kann nicht vorgebeugt werden. Häufig werden Hündinnen, die einmal scheinträchtig waren, auch nach den nächsten Läufigkeiten wieder Symptome zeigen. Weder homöopathische Mittel noch das Wegräumen von Spielzeug oder die Reduktion des Futters während und nach der Läufigkeit, kann den natürlichen hormonellen Prozessen entgegenwirken. Die drastische Reduktion der Futtermenge, ist ein Tipp, den man leider immer noch häufig bekommt. Zum Wohle der Gesundheit des Hundes und einer ausgewogenen Nährstoffversorgung, sollte jedoch unbedingt darauf verzichtet werden.
Ein weiterer Mythos ist, die Hündin einmal belegen, sprich decken zu lassen, um spätere Scheinträchtigkeiten zu verhindern. Es gibt keine Belege dafür, dass Hündinnen, die einmal Welpen hatten, vor einer Scheinträchtigkeit geschützt sind.
Letztlich kann nur eine Kastration verhindern, dass eine Hündin erneut scheinträchtig wird. Sollte Ihre Hündin stark unter den Folgen der Scheinträchtigkeit leiden, sollte eine Kastration in Absprache mit dem Tierarzt in Erwägung gezogen werden.
Kastration und Scheinträchtigkeit
Die Kastration der Hündin ist die einzige Maßnahme einer Scheinträchtigkeit vorzubeugen. Dabei sollte eine Kastration aber nicht während der Scheinträchtigkeit durchgeführt werden, sondern immer in der hormonellen Ruhephase, dem sogenannten Anöstrus.
Zusammenfassung zum Thema Scheinträchtigkeit:
✔ Die Scheinträchtigkeit ist kein krankhafter, sondern ein natürlicher Zustand, der durch hormonelle Prozesse ausgelöst wird
✔ Die Scheinträchtigkeit wird auch als Scheinschwangerschaft oder Scheinmutterschaft bezeichnet
✔ Die Scheinträchtigkeit tritt 1-3 Monate nach der Läufigkeit auf
✔ Die Scheinträchtigkeit dauert in der Regel 2-3 Wochen an
✔ Typische Anzeichen sind Nestbauverhalten, das Einsammeln und „Bemuttern“ von Spielzeug, ein geschwollenes Gesäuge
✔ In der Regel ist keine tierärztliche Behandlung nötig
✔ Maßnahmen während der Scheinträchtigkeit sind das Wegräumen von Spielzeug und das Angebot von viel Beschäftigung
✔ Vermieden werden sollte, dass sich die Hündin am Gesäuge leckt
✔ Vorbeugen kann man einer Scheinträchtigkeit nicht – nur eine Kastration kann diese verhindern
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